Planen Sie eine Firma in einem anderen EU-Land als Ihrem Wohnsitzland zu gründen? Dann sollten Sie unbedingt prüfen, in welchem Land Sie die Beiträge zur Sozialversicherung entrichten müssen.
Die Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts – Einleitung
Wenn Sie als deutscher Staatsbürger in Polen ein Einzelunternehmen (Jednoosobowa Działalność Gospodarcza – JDG) gründen oder alleiniger Gesellschafter einer polnischen Ein-Personen-GmbH (Spółka z o.o.) werden, stellt sich die Frage, in welchem Land Sie sozialversicherungspflichtig sind. Dies hängt davon ab, ob Sie auch in Deutschland beruflich tätig sind und wie Ihr Tätigkeitsumfang in den jeweiligen Ländern aussieht.
Gemäß den EU-Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit darf eine Person grundsätzlich nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegen. Dies soll Doppelversicherungen und Versicherungslücken vermeiden.
Warum kann man nicht in zwei Ländern gleichzeitig sozialversicherungspflichtig sein?
Die EU-Koordinierungsregeln sollen sicherstellen, dass Personen, die in mehreren Mitgliedstaaten arbeiten, nicht mehrfach Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen oder ohne Versicherungsschutz dastehen. Durch die Festlegung eines einzigen anwendbaren Rechts werden Verwaltungsaufwand reduziert und rechtliche Klarheit geschaffen.
Sozialversicherung – Zuständige Institution in Polen
In Polen ist Zakład Ubezpieczeń Społecznych (ZUS) die zentrale Stelle für Fragen zur Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts in grenzüberschreitenden Fällen. ZUS koordiniert zwischen polnischen und ausländischen Sozialversicherungsträgern und stellt auf Antrag das Formular A1 aus, das das anwendbare Recht bescheinigt.
Sozialversicherung – Zuständige Institution in Deutschland
In Deutschland ist die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) die zentrale Stelle für Fragen zur Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts in grenzüberschreitenden Fällen. Sie koordiniert zwischen deutschen und ausländischen Sozialversicherungsträgern und stellt auf Antrag das Formular A1 aus, das das anwendbare Recht bescheinigt.
Die Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts – Beispiele
Beispiel 1: Deutscher mit Einzelunternehmen (JDG) in Polen und beruflicher Tätigkeit in Deutschland
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Situation:
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Sie gründen in Polen ein Einzelunternehmen (JDG).
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Gleichzeitig sind Sie in Deutschland beruflich tätig.
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Anwendbare EU-Regelung:
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Sie üben eine selbständige Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten aus.
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Gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind bestimmte Kriterien zu berücksichtigen.
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Festlegung des anwendbaren Rechts:
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Wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat:
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Wenn Sie in Ihrem Wohnsitzstaat (Deutschland) mindestens 25 % Ihrer Gesamttätigkeit ausüben (gemessen an Umsatz, Arbeitszeit, Einkommen etc.), unterliegen Sie den deutschen Sozialversicherungsvorschriften.
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Weniger als 25 % Tätigkeit im Wohnsitzstaat:
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Wenn Ihre Tätigkeit in Deutschland weniger als 25 % ausmacht, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sich der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit befindet (vermutlich Polen).
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Konsequenzen:
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Fall 1 (mindestens 25 % Tätigkeit in Deutschland):
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Sie zahlen Ihre Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland.
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In Polen sind Sie von der Sozialversicherungspflicht befreit.
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Fall 2 (weniger als 25 % Tätigkeit in Deutschland):
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Sie unterliegen der polnischen Sozialversicherung.
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Sie müssen Beiträge an die polnische ZUS entrichten.
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Beispiel 2: Deutscher mit Einzelunternehmen (JDG) in Polen ohne berufliche Tätigkeit in Deutschland
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Situation:
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Sie gründen ein Einzelunternehmen in Polen.
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Sie üben in Deutschland keine berufliche Tätigkeit aus.
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Anwendbare EU-Regelung:
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Da Ihre gesamte selbständige Tätigkeit in Polen stattfindet, gelten die polnischen Sozialversicherungsvorschriften.
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Ihr Wohnsitz in Deutschland ändert daran nichts.
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Konsequenzen:
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Sie müssen sich bei der polnischen Sozialversicherung (ZUS) anmelden.
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Sie zahlen Ihre Beiträge in Polen und sind dort sozialversichert.
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Beispiel 3: Deutscher als alleiniger Gesellschafter einer polnischen Ein-Personen-GmbH (Spółka z o.o.) und beruflich tätig in Deutschland
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Situation:
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Sie sind alleiniger Gesellschafter einer polnischen Spółka z o.o.
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Gleichzeitig sind Sie in Deutschland beruflich tätig.
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Anwendbare EU-Regelung:
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Ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer wird als selbständige Tätigkeit angesehen.
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Sie üben somit selbständige Tätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten aus.
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Festlegung des anwendbaren Rechts:
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Wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat:
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Wenn Sie mindestens 25 % Ihrer Tätigkeit in Deutschland ausüben, gelten die deutschen Sozialversicherungsvorschriften.
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Weniger als 25 % Tätigkeit im Wohnsitzstaat:
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Liegt Ihr Tätigkeitsschwerpunkt in Polen, unterliegen Sie der polnischen Sozialversicherung.
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Konsequenzen:
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Fall 1 (mindestens 25 % Tätigkeit in Deutschland):
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Beiträge werden in Deutschland gezahlt.
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Befreiung von der polnischen Sozialversicherungspflicht.
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Fall 2 (weniger als 25 % Tätigkeit in Deutschland):
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Beiträge werden in Polen gezahlt.
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Sie sind in Polen sozialversichert.
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Beispiel 4: Deutscher als alleiniger Gesellschafter einer polnischen Ein-Personen-GmbH (Spółka z o.o.) ohne berufliche Tätigkeit in Deutschland
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Situation:
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Sie sind alleiniger Gesellschafter einer polnischen Spółka z o.o.
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Sie üben in Deutschland keine berufliche Tätigkeit aus.
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Anwendbare EU-Regelung:
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Da Ihre gesamte Tätigkeit in Polen stattfindet, gelten die polnischen Sozialversicherungsvorschriften.
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Der Wohnsitz in Deutschland ist hierbei nicht ausschlaggebend.
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Konsequenzen:
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Sie müssen sich bei der polnischen Sozialversicherung (ZUS) anmelden.
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Ihre Sozialversicherungsbeiträge werden in Polen entrichtet.
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Sozialversicherung in Polen oder in Deutschland? Wichtige Hinweise zur Festlegung des anwendbaren Rechts
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25 %-Regelung:
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Der Schwellenwert von 25 % dient der Bestimmung, wo Sie einen wesentlichen Teil Ihrer Tätigkeit ausüben.
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Kriterien zur Bestimmung des Tätigkeitsumfangs:
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Umsatz
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Arbeitszeit
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Einkommen
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Anzahl der erbrachten Dienstleistungen
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Formular A1:
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Es wird empfohlen, bei der zuständigen Institution eine A1-Bescheinigung zu beantragen.
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In Deutschland ist hierfür die DVKA zuständig.
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Die Bescheinigung bestätigt, welches nationale Recht auf Sie anzuwenden ist.
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Keine doppelte Sozialversicherung:
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Sie können nicht gleichzeitig in zwei Ländern sozialversicherungspflichtig sein.
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Doppelzahlungen werden vermieden, um finanzielle Belastungen zu reduzieren.
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Wo bezahle ich meine Sozialversicherung? In Deutschland oder in Polen? – Fazit
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Einheitliches anwendbares Recht:
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Sie unterliegen den Sozialversicherungsvorschriften eines Landes.
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Festlegungskriterien:
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Wohnsitz, Ort der Tätigkeit und Umfang der Tätigkeit sind entscheidend.
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Verantwortliche Institution:
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Die DVKA in Deutschland ist für die Festlegung des anwendbaren Rechts zuständig.
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Anmeldung bei der Sozialversicherung:
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Je nach anwendbarem Recht müssen Sie sich entweder in Deutschland oder Polen zur Sozialversicherung anmelden.
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Beratung und Rechtssicherheit:
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Es ist ratsam, in solchen Fällen professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.
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Die Beantragung des Formulars A1 bietet Ihnen Rechtssicherheit und Klarheit über Ihre Sozialversicherungspflicht.
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Schritte zur Umsetzung
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Analyse Ihrer Tätigkeiten:
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Ermitteln Sie den prozentualen Anteil Ihrer beruflichen Aktivitäten in Deutschland und Polen.
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Kontaktaufnahme mit der DVKA:
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Beantragen Sie das Formular A1 zur Feststellung des anwendbaren Rechts.
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Anmeldung bei der zuständigen Sozialversicherung:
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Je nach Festlegung melden Sie sich entweder bei der deutschen oder polnischen Sozialversicherung an.
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Kontinuierliche Überprüfung:
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Bei Änderungen in Ihrem Tätigkeitsumfang oder Wohnsitz sollten Sie die Sozialversicherungspflicht erneut prüfen lassen.
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Die Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts
Die Festlegung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten ist komplex, aber entscheidend für Ihre finanzielle und rechtliche Sicherheit. Durch sorgfältige Planung und die Inanspruchnahme professioneller Beratung können Sie sicherstellen, dass Sie Ihren Verpflichtungen nachkommen und gleichzeitig von den Vorteilen des EU-Binnenmarktes profitieren.
Der Wert von 25 % ist als Orientierungshilfe zu verstehen. Die endgültige Entscheidung darüber, in welchem Land die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind und ob der Unternehmer die Bescheinigung A1 erhält, liegt bei der zuständigen Institution im jeweiligen Land. Diese Entscheidung wird auf der Grundlage verschiedener Faktoren getroffen, die im obigen Artikel allgemein erläutert wurden.
Wenn Sie an weiteren Themen rund um die Unternehmensführung in Polen interessiert sind, finden Sie auf dieser Seite eine vollständige Übersicht. Sie enthält vor allem praktische Informationen und Tipps zur Gründung und Führung einer Firma in Polen. Als Expertin unterstütze ich deutschsprachige Unternehmer in verschiedenen Angelegenheiten rund um das Geschäftsumfeld in Polen. Ich stehe Ihnen als Organisatorin, Koordinatorin und Dolmetscherin zur Verfügung, um Sie sicher durch die Besonderheiten des Geschäftslebens in Polen zu begleiten.
Die in dem Beitrag bereitgestellten Informationen stellen keine rechtliche Beratung dar. Für eine ausführliche rechtliche Beratung kontaktieren Sie bitte einen Fachanwalt.